Eigentlich sollte der Arcus den Zugvögeln folgen und auf dem Weg nach Namibia sein , aber Corona durchkreuzt diesen Plan und macht die Durchführung nicht ratsam. Wenn es diesen Winter nicht in die südlichen Gefilde geht , dann muss fliegerisch lokaler Ersatz gefunden werden und eine gute Möglichkeit ist das ist Wellenfliegen am Harz.
Na klar, als Segelflieger hat man eh stets ein Auge auf das Wetter und die Vorhersage, so daß „nur“ein geeignetes Wetterfenster auszumachen war. Als Information dienten neben DWD, WINDY (Windvorhersage und Temps !)auch besonders das RASP Wetter, das unsere niederländischen (!) Segelfliegerkameraden bereitstellen (https://blipmaps.nl/NETHERLANDS/). Diese Vorhersagen decken auch Teile des deutschen Mittelgebirges ab, so daß dort auch Wellenvorhersagen für Harz und Thüringer Wald zu finden sind. Hat man sich mit der Theorie des Wellenfliegen etwas vertraut gemacht , ich empfehle als Einsteig mal im Netz unter Stichwort „Schwerewelle“ zu schmöckern (https://www.schwerewelle.de/), dann weiß man schnell auf welche Indikatoren man bei der Wettervorhersage achten sollte. Im Schnellgang heißt das für die Harzwelle: Wind aus Südwesten mit der Höhe zunehmend, eine stabil geschichtete Atmosphäre beginnend unterhalb des auslösenden Höhenrückens. Bei der allmorgentlichen Wetterschau ließ sich eine solche Wetterlage für den 24./25. Oktober ausmachen.
Mittels Farbcode sind die Bereiche des Steigen bzw Sinken gut zu erkennen. In dem Ausschnitt ist ebenfalls das „Wellenfenster“ am Harz verzeichnet. Dankenswerter Weise managt der LSV Aschersleben die Freigabe des Wellenfenstern mit der DFS, so daß man nur über Funk mit den Ascherslebenern in Kontakt treten muss, um den Status zu erfahren. Bei Freigabe ist es dann möglich in dem Fenster über FL100, bis FL200 VFR zu steigen. Übrigens das funktioniert auch unter der Woche.
Also haben Mieke und ich uns am Samstag den 24ten Oktober nach Aschersleben aufgemacht, sah die Vorhersage doch so aus, als könnte vielleicht Samstag nachmittag schon was funktionieren. Tat es dann aber nicht, obwohl der Wind spürbar auffrischte. Völlig unkompliziert war der Empfang am Flugplatz Aschersleben, das Tor zum Fluggelände ist offen, freien Platz suchen für den Hänger , kurze Einweisung zu den örtlichen Gegebenheiten, das wars. Es hatten sich noch einige wenige andere Segelflieger eingefunden aus Rotenburg/Wümme, Berlin und Stendal. F-Schlepp läßt sich dort wohl auch organisieren, aber an diesem Wochenende waren alles Selbststarter vor Ort.
Kleine Corona Anekdote: Man kann am Platz übernachten in „Unterkunfts“ Qualität. Wir hatten uns nicht entsprechend ausgerüstet und mussten wegen des aktuellen Beherbergungsverbots in Sachsen-Anhalt (als einzigstes Bundesland) für eine Unterkunft zurück nach Niedersachsen fahren.
Für Sonntag hatten wir uns früh verabredet, denn der Wind sollte im Tagesverlauf wieder schwächer werden bzw. eine Front aus Westen dann reinziehen.
Flieger zusammengesteckt und um 9h00 waren wir in der Luft. Von Ascherleben geht es gegen den schon strammen Wind in Richtung Ballenstedt um den Anschluß an die Welle zu finden. Angekommen waren wir bereits 2300m hoch bevor wir den Motor abgestellt haben. Zwar war die Luft sehr ruhig, jedoch laminares Steigen war auch nicht wirklich anzutreffen. Entlang des Südrandes des Wellenfensters war dann eine Zone schwachen Steigen auszumachen, die uns mit circa 0,2 m/s bis maximal 0,5 m/s höher brachte. Ganz hilfreich hat sich erwiesen, daß man dank „Glidertracker“ die anderen Kameraden bei ihren Versuchen beobachten kann und schnell war klar das die Welle im 45km entfernten Bad Harzburg wohl besser geht. Ein erste Versuch dort hinzu war weniger erfolgreich und so mussten wir nochmal zurück nach Thale um uns aus 1400m erst mal wieder hochzuarbeiten. Dann jedoch klappte die Traverse problemlos und entlang des Südrandes des Wellenfensters ging es fast ohne Höhenverlust nach Bad Harzburg. Hier bot sich folgendes Bild: Weit im Westen lag tiefliegende Bewölkung auf den Bergen auf, der Brocken war nicht aus zu machen. Daran schloss sich Richtung Osten ein Bereich ohne Bewölkung an, dann eine geschlossenen sehr hohe Wolkendecke mit deutlicher luvseitiger Kante und darunter vereinzelte Lentis. An einem solchen haben wir uns orientiert und dann die besseren Steigwerte gefunden, die uns schließlich bis auf über 5700m emporsteigen ließen. Dort haben wir abgebrochen um den nötigen Abstand zur darüberliegenden, geschlossenen Wolkendecke zu halten. Und außerdem war uns schon ausreichend kalt (-18°). Erwähnenswert, daß inzwischen die Luftaufsicht das Wellenfenster bis auf FL 220 erweitert hatte.
Der Heimflug nach Aschersleben war nur insofern ein Problem, als da man „true airspeed“ bedingt nicht schneller fliegen konnte um die Höhe abzubauen. Aber das ist eher ein Luxusproblem. Die Landung in Aschersleben war unspektakulär, da erstaunlicher Weise am Platz gerade mal 10 kt Wind herrschten. Kurz auftauen, den Flieger abgerüstet und um 16h15 waren wir schon wieder unterwegs nach Metzingen.
Zusammengefasst eine lohnenswerte Unternehmung, die ich auch unbedingt weiterempfehlen kann. Wie es aus heutiger Sicht aussieht, war das für diesen Winter wohl die letzte Möglichkeit amteursportmässig in die Luft zu kommen. Aber glücklicherweise ist eines Gewiss: auch in Zukunft wird die Welle wieder am Harz stehen.
Euer Andreas Balk